In Deutschland leben rund 13 Prozent aller Haushalte als Patchworkfamilie. Dass es dabei, wie in allen Familienverbänden, zu Konflikten kommt, ist vorprogrammiert – nur birgt das Zusammenleben in einer Stieffamilie völlig andersgeartete Herausforderungen.
Das Kindesalter stets berücksichtigen
Abhängig davon, wie alt die Kleinen waren als sich ihre leiblichen Eltern getrennt haben, fällt auch die Reaktion aus. Babys und Kleinkinder bis zwei Jahre gewönnen sich schnell und ohne Probleme an die neue Situation, da sie sich an das vorherige Zusammenleben nicht erinnern können. Kindergarten- und Grundschulkinder fühlen sich oft verantwortlich für das, was geschehen ist und denken, sie seien nicht artig genug gewesen. Darum habe die Mutter oder der Vater die Familie verlassen.
Darum reagieren sie oft ungehalten, unplanmäßig und aggressiv. Als Stiefvater beziehungsweise -mutter, sollten diese Wutausbrüche nicht persönlich genommen werden. Die Kinder wehren sich ganz bewusst gegen die Zuneigung, die sie gegenüber dem neuen Familienmitglied empfinden. Diese renitente Verhaltensweise ist bei Teenagern besonders deutlich ausgeprägt. Sich nicht als Ersatzvater oder -mutter aufzuspielen, sondern den Jugendlichen freundschaftlich zu begegnen, gilt als patentes Gegenmittel.
Gut Ding will Weile haben – Familienfindung braucht Zeit
Entscheidet sich das alleinerziehende Elternteil dafür, mit dem neuen Lebenspartner zusammenzuziehen, ist dieser Akt nicht selten mit überzogenen Erwartungen behaftet. Von nun an kann dem Kind, so glauben viele, wieder die perfekte Familie geboten werden. Dass diese Geisteshaltung unrealistisch ist, beweist sich an folgenden Aspekten:
- Die Familienmitglieder sind einander im Alltagsleben nicht gewöhnt.
- Der Ex-Partner ist zwar aus dem Leben des Elternteils aber nicht aus dem Dasein des Kindes verschwunden.
- Der neue Partner muss erst in die Rolle als Stiefmutter oder -vater hineinwachsen – gerade für kinderlose Personen keine leichte Aufgabe.
- Die Liebesbeziehung besteht mitunter schon einige Zeit, ist aber in der Regel noch nicht übermäßig gefestigt. Streitigkeiten sind unweigerlich die Folge.
Es dauert durchschnittlich drei bis vier Jahre, bis in einer Patchworkfamilie jeder seine Position gefunden hat und sich die Mitglieder auch tatsächlich als Familie begreifen. Bis es soweit ist, braucht es viel Verständnis.
Nichts wegnehmen wollen und das auch klarmachen
Kinder sehen die Stellung ihres ausgezogenen Elternteils durch den neuen Partner in Gefahr. Obwohl sie nicht selten zornig auf den leiblichen Vater oder die biologische Mutter sind, verteidigen sie ihn oder sie lautstark. Sie halten es für ihre Pflicht, loyal zu sein. Dem Stiefelternteil sei deshalb ans Herz gelegt, das Gespräch zu suchen und klarzustellen, dass niemand ersetzt werden soll. Die Position des ausgezogenen Ex-Partners nicht anzurühren und zu sagen, dass der Papa, die Mama einzigartig bleibt, öffnet das kindliche Herz.
Deshalb sollte es das noch verbliebene Elternteil auch tunlichst unterlassen, über den Ex zu schimpfen, das neue Familienmitglied über den grünen Klee zu loben oder Vergleiche anzustellen. Das ruft nur die Kinder auf den Plan. Ein „Ich bin nicht dein Vater, aber ich will dein Freund sein!“ schafft schneller einen glücklichen und ruhigen Familienalltag als die Aussage „Wenn ich dein Papa wäre, dann…!“
Von der Wichtigkeit der Empathie
Sich in die Rolle des jeweils anderen hineinversetzen zu können, entschärft so manchen Konflikt. Speziell für die Kinder muss viel Verständnis da sein, sie haben schließlich ihre alte Familie verloren und sind den Entscheidungen der Erwachsenen hilflos ausgesetzt. Fühlen sie sich im neuen Familienverband wohl, ergeht es den (Stief-)Eltern genauso!
Titelbild: ©istock.com – AnnaElizabethPhotography
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