Die ideale Familie ist konstant und besteht über einen langen Zeitraum hinweg in der gleichen Konstellation: Vater, Mutter und die Kinder leben zusammen, eventuell gibt es noch Großeltern im Haus. Dieses Ideal stammt aus den 1950er Jahren und wurde weder davor, noch danach wirklich so gelebt. Die Patchwork Familie ist nichts neues, neu ist lediglich der Begriff. Schon in den Märchen der Gebrüder Grimm gab es die Stiefmutter und die Stiefschwestern … Wie schafft man es nun, dass in einer solchen Familie die Kinder nicht zu kurz kommen, sondern sich geborgen und von den Eltern getragen fühlen?
Freundschaften brauchen Zeit – Vertrauen als Basis
Erwachsene lernen sich oft kennen, lange bevor die betroffenen Kinder informiert oder involviert werden. Sie bauen eine Beziehung auf, kommen sich näher, wollen gemeinsam Familie sein – und dann müssen Kinder mit der Situation klar kommen. Das ist zu spät. Denn auch Kinder benötigen Zeit, um einen neuen Vater, eine neue Mutter, Geschwister kennen zu lernen.
Das passiert am besten auf neutralem Terrain und noch so früh in der Beziehung, dass erst einmal nur Freundschaften wachsen können. Denn mit jemandem zusammen zu leben, das benötigt noch mehr Vertrauen. Wenn Erwachsene sich näher kommen und den Gedanken an eine Patchwork Familie ins Auge fassen, sollten sie also möglichst frühzeitig die beteiligten Kinder in ihr gemeinsames Leben einbeziehen.
Video: Leben als Patchworkfamilie (urbia.tv)
Absolute Ehrlichkeit ist ein Muss
Kinder verstehen aus dem Zusammenleben heraus eine Menge. Sie haben sehr feine Antennen für Gefühle, die in der Luft liegen, für Spannungen im positiven wie im negativen Sinn. Eine sich anbahnende oder schon bestehende Liebesbeziehung vor Kindern verbergen zu wollen, ist also eher kontraproduktiv. Selbst kleine Kinder bekommen mit, wenn es zwischen Mama und dem neuen Freund „knistert“.
Wenn nicht offen über die Situation gesprochen wird, fühlen sie sich schnell hintergangen und verlieren Vertrauen in die Erwachsenen, die eigentlich genau dieses Vertrauen benötigen, um als Eltern der Familie gerecht werden zu können. Immerhin haben diese Kinder schon erlebt, dass Erwachsene sich streiten, dass Beziehungen auseinandergehen und man sich eben manchmal doch nicht wieder verträgt.
Dem Alter angemessen erklären
Natürlich kann man einer Dreijährigen nicht genauso erklären, warum Mama ausgezogen ist, wie man das bei einem Zwölfjährigen tun würde. Genauso kann man einem Fünfjährigen den neuen Freund, der plötzlich bei Mama übernachtet, nicht mit den gleichen Worten erklären wie einer Siebzehnjährigen. Die Privatsphäre der Erwachsenen muss immer gewahrt werden – gleichzeitig sollte aber auch die Privatsphäre der Kinder gewahrt werden, und das mit Rücksicht auf den Entwicklungsstand. Pubertierende reagieren auf geteilte Betten ganz anders als beispielsweise aufgeklärte Sechsjährige. In der Patchwork Familie ist auch auf diesem Gebiet höchste Feinfühligkeit geboten.
Es versteht sich von selbst, dass die Entscheidungsgewalt zwar bei den Erwachsenen liegen muss, auf Antipathien der Kinder aber unbedingt Rücksicht genommen wird. Kinder müssen einander auch nicht sofort als „neue Geschwister“ vorgestellt werden, sondern können durchaus erstmal den Status von Bekannten, dann von Freunden haben.
Familie ist ein gleichberechtigtes Miteinander
Wenn man Familie als das faire und gleichberechtigte Zusammenleben aller Beteiligten inklusive der entwicklungsbedingten Fürsorge füreinander versteht, klappt es auch mit der Patchwork Familie.
Erwachsene und Kinder sollten unter allen Umständen respektvoll und ehrlich miteinander umgehen, auf die jeweiligen Bedürfnisse (auch die eigenen) achten und diese offen kommunizieren. Immerhin lernen Kinder in einer gut funktionierenden Familie auch, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Die erste und wichtigste Lernstätte in sozialen Fragen ist die eigene Familie.
Titelbild: © istock.com – yaruta
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